Handbike News
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- Antje Faßhauer -
Svetlanas Lächeln kennt keine Grenzen. Unermüdlich dreht sie Runden in ihrem neuen Handbike. Völlig egal, dass ihr Trikot viel zu dünn und der Novemberwind viel zu kalt ist. Ihre Freude überstrahlt alle widrigen Umstände: Svetlana Moshkovich sitzt zum ersten Mal in dem Bike, mit dem sie bei den Paralympics 2012 siegen will. „Das hier ist mein persönlicher Glücksbringer für die Spiele in London“, schwärmt die 28-Jährige nach der ersten Probefahrt, „jetzt kann ich in der Vorbereitung richtig Vollgas geben.“
Damit der große Traum von einer Medaille in Erfüllung geht, trainiert Svetlana jeden Tag, fährt dabei bis zu 60 Kilometer weit. Um sich für die Paralympics zu qualifizieren, hat sie allein in 2011 die enorm hohe Zahl von 27 Rennen absolviert. Für ihren Sport und ihr Land ist die russische Meisterin durch ganz Europa gereist. Die Kraft für all das zieht Svetlana aus ihrer wiedergewonnenen Mobilität: „Bei meinen Touren mit dem Handbike fühle ich mich absolut frei. Diese Freiheit motiviert mich, jeden Tag an meine Grenzen zu gehen. Und darüber hinaus.“
Kurz nach ihrem Autounfall vor sieben Jahren war ihr Leben in Sibirien mit einem Schlag voller Barrieren: Sechs Monate darf sie das Krankenbett nicht verlassen, ihre Familie lebt im vierten Stock eines Hochhauses - ohne Fahrstuhl. Ihr Lehramtsstudium versucht Svetlana so gut es geht vom Krankenbett aus fortzuführen. „Ich war völlig auf die Hilfe meiner Familie angewiesen, nichts konnte ich mehr allein unternehmen. Das war anfangs sehr frustrierend.“ Die Aussichten, jemals wieder mobil und unabhängig zu leben, sind schlecht. Die Wende bringt eine vierte OP in Heidelberg. Einer ihrer Ärzte ist dort zu einer Fortbildung eingeladen und darf eine Patientin nach Deutschland mitbringen. Er wählt Svetlana.
„Meine Lebensqualität hat sich durch die letzte Operation an der Wirbelsäule deutlich verbessert, vorher saß ich ganz schief und krumm in meinem Rollstuhl. Erst in Deutschland habe ich erfahren, dass es auch anders geht“, erinnert sie sich. Auch für die Reha darf Svetlana in Heidelberg bleiben und blüht dort richtig auf. Beim Bogenschießen entwickelt sie ersten sportlichen Ehrgeiz. Doch eigentlich ist Svetlana ein Teamplayer. Besonders fasziniert ist sie von einer Gruppe, die sie im Herbst 2008 täglich im Gesundheitszentrum der Manfred-Sauer-Stiftung sieht: „Die saßen alle so aufrecht in ihren Rollstühlen, die lachten und hatten sichtlich Spaß miteinander.“ Ohne Scheu spricht Svetlana die Jungs vom Otto Bock Handbike Team an, man ist sich auf Anhieb sympathisch. Zu gerne würde sie auch mal mitfahren bei einer der nächsten Touren an den Neckar, doch sie muss Überzeugungsarbeit leisten. „Auf den ersten Blick machte sie so einen zarten Eindruck. Wir dachten alle, der Sport wäre zu anstrengend für sie. Aber sie hat sich nicht davon abbringen lassen“, schildert ihr heutiger Lebensgefährte Michael Biermann die erste Begegnung.
Nach der ersten gemeinsamen Neckar-Tour hat sie den schlimmsten Muskelkater ihres Lebens und ist dennoch überglücklich. „Es hat mir soviel Spaß gemacht und alle im Team waren so nett zu mir. Ich wollte unbedingt weiter trainieren und habe mich nicht entmutigen lassen. Diese Hartnäckigkeit hat dann wohl auch meine Jungs beeindruckt.“ Selbst ein abgelaufenes Visum kann Svetlana nicht mehr von „ihrem Team“ fernhalten: Sie beschließt vor drei Jahren in Deutschland zu bleiben, beginnt ein Computer-Linguistik Studium in Düsseldorf und zieht kurz darauf mit ihrem Michi zusammen. „Die Jungs sind zu meiner Ersatzfamilie geworden. Dank ihnen konnte ich ein zweites Leben beginnen. Sie haben mir gezeigt, wie ich allein meine Alltag bewältigen kann und haben mich von ihren Erfahrungen profitieren lassen. Als ich nach vier Jahren ganz allein in einem Bus saß und eine Stadtrundfahrt gemacht habe, war das ein unglaubliches Glücksgefühl. Ich musste von einem Ohr zum anderen grinsen.“
Dank der Unterstützung von Michael kann sie schon bald an ihrem ersten Marathon teilnehmen. Ihre Zeit? Nicht der Rede Wert, Sie kommt als Vorletzte ins Ziel. Aber wieder mal hat sie sich selbst und ihren Freunden bewiesen, „dass alles möglich ist, wenn man nur an sich selbst glaubt. Zuallererst muss man die Grenzen im eigenen Kopf überwinden.“
Für ihren grenzenlosen Optimismus und ihren beeindruckenden Ehrgeiz wurde sie sportlich belohnt: Inzwischen hat sie einige vordere Platzierungen bei Europa- und Weltcup-Rennen erreicht und gilt infolgedessen als größte Hoffnung im russischen Nationalteam. Handbiken ist in Russland eine ganz neue Sportart und die Mannschaft wurde eigens für die Paralympics neu zusammengestellt.
„Schon als Teenie habe ich immer davon geträumt, einmal nach London zu reisen. Das ich ausgerechnet dort meine ersten paralympischen Spiele erleben werde, ist unglaublich“, schildert Svetlana ihr derzeitiges Glücksgefühl, „es wird sicherlich eine ganz besondere Atmosphäre im Stadion sein. Schon bei der WM in Dänemark ist eine tolle Gemeinschaft aus den verschiedenen Nationalteams entstanden. Ich freue mich darauf, sie alle in London wiederzusehen.“
Sie wird in einer ganz besonderen Funktion an die Themse reisen: Neben Heinrich Popow (Deutschland) und Kelly Cartwright (Australien) wurde sie gerade vom Medizintechnik-Unternehmen Ottobock, seit 1988 bei allen Spielen engagiert, zur dritten Paralympics-Botschafterin ernannt. Zudem stellt ihr das Unternehmen ein individuell auf sie angepasstes Wolturnus Rennbike zur Verfügung. Gemeinsam mit Heinrich und Kelly will Svetlana ihre persönliche Botschaft mit sportlichen Höchstleistungen untermauern: „Ich möchte Menschen mit Handicap für meinen Sport begeistern und ihnen zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen. In meinem Leben habe ich immer zur rechten Zeit die richtigen Leute kennengelernt. Deshalb sollte man nie die Hoffnung verlieren und immer positiv denken. Es gibt viel Licht am Ende des Tunnels – ich selbst bin das beste Beispiel dafür. Wenn man seine vermeintlichen Grenzen überwindet, dann wird man dafür belohnt.“
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| Datum | Nation | Ort |
| 03.12.11 | ESP | Lanzarote |
| 11.02.12 | ESP | Lanzarote |
| 12.02.12 | ZAF | Johannesburg |
| 25.02.12 | GER | Kiel |
| 03.03.12 | UAE | Al Ain |
| 04.03.12 | TUR | Antalya |
| 04.03.12 | ITA | Treviso |
| 18.03.12 | ITA | Rom |
| 25.03.12 | ITA | Kaltern am See |
| 01.04.12 | GER | Berlin |