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04.07.14 - 06.07.14 Von Süd nach Nord
Nicht angekommen und doch das Ziel erreicht
Bezogen auf Vico Merklein seine Worte in einem seiner Interviews, es nicht zu sein, bekenne ich (Oliver Pohling d.R.): Ich bin ein Radtourist! Ich hatte ein Ziel: 1x im Handbike von Murnau nach Rostock! Auch wenn ich es nicht geschafft habe, so soll man doch das Positive rausziehen! Der Verstand sagt, auch wenn ich es nicht bis Rostock geschafft habe, so habe ich doch alles erreicht. Das Problem: Mein Ehrgeiz ist hier ein starker Gegenspieler und macht es mir somit schwer, das Ergebnis so positiv zu bewerten wie es doch nüchtern betrachtet ist. Ich habe Grenzerfahrungen machen können und 3.000 Euro für einen guten Zweck „erkurbelt“.
Von Anfang an:
Für mich liegt die Faszination des Radfahrens bzw. des Handbikens im Zurücklegen größerer Strecken mit eigener Kraft.
Als Fußgänger hätte mich schon eine Teilnahme an der alljährlichen Tour „Race-Across-Germany“ gereizt. Im Handbike ist ein Mithalten im Fahrerfeld undenkbar und um allein im Handbike von Garmisch-Partenkirchen nach Flensburg zu kurbeln habe ich keinen Bezug zu jener Strecke. So kam mir die Idee, von Murnau - wo ich nach meinem Unfall operiert wurde und meine „Grundausbildung fürs Leben im Rollstuhl“ bekam – nach Rostock zu „radeln“… Ich wollte keine Rekorde aufstellen, aber mir selbst beweisen, dass ich auch mit den Armen, wenn auch in einer längeren Zeit, gleiche Strecken zurücklegen kann, wie früher mit dem Bike. Wollte ursprünglich auch in einem Ritt diese ca. 950 Kilometer zurücklegen und so an meine Grenzen gehen. Zur zusätzlichen Motivation ist es mir gelungen Teilnehmer der HanseTourSonnenschein e.V. – wir fahren jedes Jahr zur Hanse Sail in Rostock vier Tage durch Norddeutschland, schlafen in Turnhallen und sammeln auf der Tour Gelder für chronisch- und krebskranke Kinder – zu überreden, auf das Konto des Vereins für jeden von mir zurückgelegten Kilometer einen selbstbestimmten Cent-Betrag zu spenden. So kam ich auf ein Kilometergeld von 3,65 Euro. Egal bei welchem Wetter, bis aus Bayern sollte ich es mindestens schaffen und so über 1.000 Euro erkurbeln können… Ich wusste nun, es kann nur erfolgreich enden. Die Frage war nur: Wie erfolgreich!?
Auf Grund der Erfahrungen, die Lars Hoffmann und Manfred Putz auf ihren Langdistanzen machten, spätestens in der zweiten Nacht nicht mehr komplett ohne Schlaf auszukommen, plante ich „zur Prävention“ eine Übernachtung in der ersten(!) Nacht. Zumindest die Dunkelheit wollte ich von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr zur Regeneration und zum Schlafen nutzen. Ich reiste mit meiner Begleitung bereits am Mittwochabend in Murnau an. Den Donnerstag nutzen wir zum Erholen und für letzte Vorbereitungen. Ich musste feststellen, dass es schon eine Menge ausmacht, dass Murnau ca. 900km weiter vom Polarkreis entfernt liegt. Es wird um diese Zeit fast eine Dreiviertelstunde später hell als in Rostock und fast eine halbe Stunde früher dunkel. So war es dann zum Start morgens um Fünf noch schummrig. Die Straßen waren leer und so kam ich, wie auch am nächsten Morgen die ersten Kilometer gut ohne Begleitfahrzeug aus und mein tolles Begleitteam konnte jeweils noch länger im Hotel verweilen, u.a. vernünftig frühstücken und mich später dann wieder einholen.
Rollte es am ersten Tag auch mehr bergab, erreichten wir nach 375 Kilometern unser Tagesziel in Lichtenfels. Nach lecker Nudeln mit Hähnchenstreifen und Pesto beim Italiener hatte ich gut vier Stunden schlafen können. Morgens um 05:00 Uhr ging es wieder auf die Strecke. Im Glauben mit dem Passieren des Rennsteigs das Schlimmste geschafft zu haben, freute ich mich auf die Fahrt durch das Saale-Tal. Statt einer gemütlichen Fahrt am Flussufer von Rudolstadt bis Naumburg erwarteten mich auf 70 Kilometern ca. weitere 500 Höhenmeter. Zusätzlich zwang mich eine auf der Landkarte attraktive Ausweichstraße, in der Realität Kopfsteinpflaster, zum Umdrehen zurück zur Hauptstraße. Weiteres Verfahren und mehrfaches Fragen nach dem Weg kosteten Zeit und Moral. Dann wurde das Streckenprofil wieder angenehmer, es rollte besser und weil mich ja nicht wirklich etwas trieb – musste „nur“ die Nacht durchfahren und dann irgendwann im Laufe des Sonntages in Rostock ankommen – waren alle trüben Gedanken verflogen. Die Stimmung stieg noch einmal mit warmen Nudeln und heißer Tomatensoße, serviert von meinem Begleitteam. Mir war von diesem ganzen Riegelzeug und den isotonischen Getränken schon richtig schlecht. Auf der Tour merkte ich, wie wichtig die Qualität der Ernährung ist. Die Qualität des Kraftstoffes bestimmt mit(!) die Leistung des Motor. Hier hätte ich ganz sicher noch Einiges optimieren können. Aber ob die Ernährung dafür verantwortlich war, dass es mir dann schon kurz nach Mitternacht schwer fiel, die Augen offen zu halten!? Ich brauchte Schlaf! Ein sogenanntes „Powernapping“ sollte die Lösung sein. Eine Stunde pausierten wir. Ich blieb im Handbike in meiner gemütlichen Schale liegen. Eine Decke hielt mich warm. Durch die Arme zog sich immer wieder ein stechender Schmerz… Ich hatte wohl zwanzig Minuten geschlafen. Zu wenig, wie sich später herausstellen sollte. Trotz flacher Strecke brauchte ich für die nächsten 43 Kilometer zweieinhalb Stunden. Das war selbst für mich Radtouristen zu viel Zeit. Ich hatte regelrecht im Schlaf gekurbelt. Habe (Grenz)Erfahrungen gemacht, die ich mir nicht erklären kann. Was geht da im Kopf ab? Sind da irgendwelche Sensoren!? Steckt eine Fledermaus im Kopf!? Ich hatte teilweise die Augen zu und war abgenickt während ich halbwegs geradeausfuhr. Ging es auf dem recht kurvenreichen Streckenabschnitt aber nach links oder nach rechts, so waren die Augen mit einem Mal weit auf. In der folgenden (Tee)Pause erwartete mein Begleitteam von mir eine Entscheidung der Vernunft. Es standen vom Freitag 375 Kilometer und seit Samstagmorgen 390 Kilometer auf der Uhr. Ich beschloss 777 Kilometer noch voll machen zu wollen, weil: „7“ ist die Rostocker Zahl. Es war inzwischen hell und ich wieder wach. Euphorisch glaubte ich wieder an mein Ziel und teilte es stolz meinem Team mit. Doch diese Euphorie sollte nur eine gute halbe Stunde anhalten. Dann schrie der Körper – trotz Morgensonne – wieder nach Schlaf. Ich sah Bilder, die meinen Geisteszustand in Frage stellen konnten. Es vereinten sich rechts am Straßenrand drei Bäume zu einem und der viel auf die Straße, dem ich dann ausweichen musste… Die Bäume rechts und links der Straße formten sich zu einem Tunnel…Nach weiteren 38 Kilometern in Havelberg angekommen, beschloss ich aufzuhören. Die Alternative wäre eine längere Schlafpause gewesen, die aber wiederrum keine Garantie für eine Ankunft in Rostock gewesen wäre. Auch mein Begleitteam war mir für meinen Entschluss sehr dankbar. Meine liebe Freundin von HanseTourSonnenschein e.V. „Sonnenschein Netty“ und Paul, Mechaniker im „Radladen meines Vertrauens“, waren ebenfalls am Limit. Nur am Samstagnachmittag wurden sie für gut vier Stunden von meinem Freund Diego abgelöst, der extra aus Leipzig an die Strecke kam und mich in seinem Fahrzeug auf rund achtzig Kilometern begleitete.
Trotz Hitze kann ich schon sagen, es sehr gut mit dem Wetter getroffen zu haben. Die Wettervorhersagen machten mir mit Regenschauer- und Gewitterprognosen viel mehr Angst. Den einen und anderen Regentropfen mehr hätte ich mir auf der Tour schon gewünscht. Ich habe nach 800 Kilometern aufgehört und es nicht bis nach Rostock – lt. Plan noch ca. 180 Kilometer – geschafft. Ich hatte tolle Unterstützung erfahren dürfen, hatte ein Superbegleitteam, das stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, das über mich wachte, während ich Grenzerfahrungen machen konnte und ich habe Dank der am Anfang genannten Spendenbereitschaft eine stolze Summe erkurbeln dürfen. ALLES GUT!!!
Nochmals vielen Dank allen Beteiligten und Motivatoren!!!
Beste Grüße, Olli
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